Ein Bericht über die 49. Internationale Physik-Olympiade 2018 in Lissabon von Helmuth Mayr.
Spezial-Training
Traditionell erfolgt vor der IPHO ein Spezial-Training für das IPHO-Team, das heuer vom 15. bis 21. Juli am BG/BRG-Mürzzuschlag stattgefunden hatte. Für dieses Training zeichneten Kollegin Marianne Korner (Wien), Kollege Stefan Lorbek (Mürzzuschlag) und der Verfasser dieser Zeilen verantwortlich.
Unser heuriges IPHO-Schüler-Team setzte sich zusammen aus:
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Elias Hohl |
Robert Babin |
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Julius Tesarek |
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Lucas Hörl |
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Florian Moll |
Natürlich geht´s beim Spezial-Training um Physik, aber nicht nur. Ein wichtiger weiterer Trainings-Inhalt ist das Einüben einer taktisch günstigen Vorgangsweise beim Knacken physikalischer Nüsse. Vergleicht man frühere IPHO-Angabe-Texte mit unseren ÖPHO-Angabe-Texten kann man zwei markante Unterschiede feststellen: einerseits sind die IPHO-Texte oft deutlich weniger strukturiert als unsere ÖPHO-Texte und andererseits sind manche der ersteren deutlich länger als unsere. [Vor Jahren gab es einen Text, der 18 Seiten (!) lang war.] Es ist daher ein wichtiger Punkt dieses Spezial-Trainings den optimalen Umgang mit diesen weniger strukturierten Texten kennen zu lernen und einzuüben. Außerdem ist es wichtig zu trainieren, wie man bei Vorliegen sehr langer Angabe-Texte am besten vorgeht, um nicht „die Übersicht zu verlieren“.
Damit sozusagen „elektronische Waffengleichheit“ bei der Verwendung der Taschenrechner besteht, haben die IPHO-Organisatoren im Vorhinein bekannt gegeben, welche Art von Taschenrechner bei der heurigen IPHO erlaubt ist. Alle Kandidaten und Kandidatinnen bekommen für die Wettbewerbe diesen speziellen Taschenrechner und dürfen auch nur diesen zum Bearbeiten der Wettbewerbsaufgaben verwenden. Daher war es wichtig, dass wir für das Spezial-Training derartige Taschenrechner zur Verfügung hatten, damit sich unsere „Olympioniken“ damit vertraut machen können.
Ein nicht zu unterschätzender Einfluss auf das IPHO-Geschehen ist der nicht zu verhindernde Stress. Es ist daher wichtig persönliche Vorgangsweisen zur Stress-Reduktion bzw. -Bewältigung zu besprechen und – so weit wie möglich – modellmäßig einzuüben. Wirklich trainieren kann man diese Vorgehensweisen nicht, aber in gewissen Grenzen darauf vorbereiten. Eines der wichtigsten Mittel zur erfolgreichen Stressbewältigung sind die bisherigen Wettbewerbs-Erfahrungen der Schüler. Als Faustregel kann gelten: Je mehr Wettbewerbserfahrungen vorliegen, desto größer ist die Stressfestigkeit!
IPHO 2018 in Lissabon
Am Samstag, dem 21.07.2018 flog das österreichische Team nach Lissabon, wo wir nach einem etwa 3 ½ stündigem Flug am späteren Nachmittag ankamen. Mit Bussen wurden wir in separierte Hotels gebracht, weil die IPHO-Schüler/innen und die Team-Leader nicht im selben Hotel wohnen dürfen.
Am Vormittag des nächsten Tages fand eine feierliche Eröffnungszeremonie statt. Im Zuge dieser wurden unter anderem alle angetretenen 86 Schüler/innen-Teams vorgestellt. Nach dieser Feier hatten die Jugendlichen Freizeit.
Wir (etwa 160) Leader aus aller Welt versammelten uns in einem großen Saal der Universität von Lissabon um die zwei experimentellen Wettbewerbsaufgaben zu diskutieren und in die jeweiligen Landessprachen zu übersetzen.
Die Aufgaben wurden von den jeweiligen Autoren vorgestellt und besprochen. Natürlich bekamen wir die Gelegenheit die entsprechenden experimentellen Aufbauten zu besichtigen und auszuprobieren. Dann erfolgte die vielstündige Diskussion und Kritik beider Experimente, die so lange dauerte, bis eine endgültige offizielle englisch-sprachige Version allgemein akzeptiert wurde, gemeinsam mit den zugehörigen Punkteschemata und den zu den Aufgabenstellungen gehörigen Antwortblättern. Diese Monster-Aufgabe dauerte bis in die frühen Morgenstunden.
Natürlich dürfen wir Leader unseren Schülern/innen keinerlei Information über diese Aufgabenstellungen geben. Daher wohnten wir nicht nur in verschiedenen Hotels, sondern die Schüler/innen mussten alle internetfähigen elektronischen Geräte, wie Handys, Tablets usw. vor den Wettbewerben abgeben. Sie erhielten diese erst nach Absolvierung des experimentellen und des theoretischen Wettbewerbes zurück.
Am 23.07.2018 brüteten daher alle 396 Jugendlichen aus allen Kontinenten insgesamt fünf Stunden lang über den beiden Experimental-Aufgaben. Wir Leader hingegen konnten uns erholen bzw. eine Exkursion genießen.
Am Abend desselben Tages konnten Schüler/innen und Leader gemeinsam über diesen Teil der Olympiade diskutieren.
Der nächste Tag, der 24.07.2018, war für die Jugendlichen ein freier Tag. Wir Leader jedoch trafen uns am frühen Vormittag zur Besprechung der drei theoretischen Aufgaben und deren Lösungen.
Im Wesentlichen wiederholte sich das „Spiel“, d.h. wiederum wurden die Aufgaben vorgestellt und so lange diskutiert, bis wiederum eine allgemein akzeptierte offizielle englisch-sprachige Fassung vorlag, die dann in die Landessprachen übersetzt werden musste. Auch dieser Teil der Olympiade dauerte für uns Leader vom Vormittag bis weit nach Mitternacht.
Demzufolge ließen die jugendlichen IPHO-Teilnehmer/innen am darauf folgenden Tag, dem 25.07.2018, ihre Köpfe beim Knacken dieser theoretischen Nüsse rauchen. (Alle heurigen IPHO-Aufgaben sind auch auf dieser Homepage zu finden).
Wir Leader bekamen die Kopien sowohl der experimentellen als auch der theoretischen Arbeiten unserer Schüler/innen. Unsere Aufgabe war es, diese Arbeiten gemäß dem gegebenen Punkteschema zu korrigieren, zu bewerten und unsere Beurteilungen elektronisch an die Korrektur-Teams zu senden.
Als Korrektoren-Teams fungierten eine große Anzahl von Physikern und Physikerinnen aus ganz Portugal. Jedes dieser Teams war für eine bestimmte Aufgabe und für etwas mehr als ein Dutzend Länder verantwortlich.
Am 26.07.2018 standen sowohl für die Schüler/innen als auch für uns Leader Exkursionen auf dem Programm. Nichtsdestotrotz mussten wir Leader unsere Korrekturen an diesem Tag zu Ende bringen und die Ergebnisse an die Korrektoren weiterleiten.
Der 27.07.2018 war der Tag der sogenannten „Moderations“. Darunter versteht man ein Gespräch von uns Leadern mit den zuständigen Korrektoren-Teams, um eine faire Punkte-Anzahl unserer Schützlinge sicher zu stellen. Das Ergebnis dieser Verhandlungen wurde mit den Unterschriften von uns Leadern und den zuständigen Korrektoren besiegelt.
Am 28.07.2018 gab es vormittags wiederum eine Sitzung von allen Leadern aller vertretenen Länder. Dabei wurde über einige Abänderungsvorschläge hinsichtlich der Statuten (= dem IPHO-Regelwerk) abgestimmt. Außerdem stand die Wahl eines neuen IPHO-Präsidenten an, da die Funktionsperiode des bisherigen abgelaufen war. Der Tagungspunkt, dem alle mit besonderem Interesse entgegenfieberten, war natürlich die endgültige Reihung der Schüler/innen gemäß deren erzielter Punkte-Anzahl, verbunden mit deren möglichem Preisrang.
Am Nachmittag dieses Tages fand dann die feierliche Preisverteilung statt, auf die eine Farewell-Party folgte, und am 29.07.2018 flogen wir wieder nach Österreich zurück.
Leistungen des österreichischen Teams
In den IPHO-Statuten ist geregelt, wie die Punktegrenzen der einzelnen Preiskategorien zu ermitteln sind. Daher ergeben sich jedes Jahr andere Punktegrenzen. Für heuer wurde festgelegt:
- mehr als 35,00 Punkte Gold-Medaille
- von 34,99 bis 27,20 Punkte Silber-Medaille
- von 27,19 bis 17,80 Punkte Bronze-Medaille
- von 17,79 bis 14,05 Punkte Honourable Mention
- weniger als 14,04 Punkte kein Preis
Heuer erreichte ein chinesischer Schüler das Punkte-Maximum mit 46,80 Punkten und wurde als „Over-all-Winner“ gefeiert.
Insgesamt wurden vergeben:
- 42 Gold-Medaillen
- 69 Silber-Medaillen
- 99 Bronze-Medaillen
- 67 Honourable Mentions
Unser Team erreichte:
Hohl | Elias | 28,53 Punkte | Silber-Medaille |
Babin | Robert | 15,95 Punkte | Honourable Mention |
Tesarek | Julius | 14,30 Punkte | Honourable Mention |
Hörl | Lukas | 7,60 Punkte | - |
Moll | Florian | 9,55 Punkte | - |
Das österreichische Team
von links nach rechts: Florian Moll, Robert Babin, Prof. Helmuth Mayr, Elias Hohl, Lukas Hörl, Prof. Marianne Korner, Julius Tesarek
vorne: Prof. Stefan Lorbek
Alle österreichischen Teilnehmer der IPHO-2018 werden im Rahmen der Jahres-Tagung der Österreichischen Physikalischen Gesellschaft, die heuer an der TU-Graz stattfindet, geehrt, mit einem Buchpreis bedacht und zu einem Kurzreferat eingeladen.
Herzliche Gratulation an alle !
Wien, im August 2018
Helmuth Mayr
Delegationsleiter
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